Freitag, 13. September 2019 - Zirkustheater & HipHop

Zirkustheater & HipHop
Der Zirkus ist im Theater angekommen, das Graffito in der Kunst. Dieser Abend zeigt die Vielseitigkeit von Kunst – voller Virtuosität und Kreativität.
Die Künstlergruppe Compañía de Circo „eia“ aus Barcelona präsentiert ihr Stück “inTarsi”. Es vereint Bewegungstheater, Akrobatik und Tanz auf atemberaubende Weise. Auf der Bühne eine Scheibe, auf ihr vier Akrobaten zwischen Mut und Wahnsinn: In Windeseile werden die hölzernen Elemente mal als schräge Wand zusammengesetzt, verwandelt in ein Schleuderbrett, ein Klettergestell oder ein kleines Karussell. Das Spiel mit Formen, erinnert an die puristische Luftigkeit der sechseckigen Forum-Architektur.
Zur Begrüßung stimmen die Künstler des HipHop Mobils aus dem Haus der Jugend auf die Veranstaltung ein. Sechs Graffitikünstler gestalten ab 18:15 Uhr auf dem Forum-Vorplatz großformatige Leinwände. Die Aktion wird von einem DJ musikalisch begleitet und das Publikum erlebt live, wie diese urbane Kunst entsteht. Ebenfalls auf dem Vorplatz gibt es Vorführungen auf einem Bewegungs-Parcours. Das macht neugierig auf den folgenden Familien-Sonntag im Forum, wenn der Kletterspaß für alle da ist. So locker und leicht steigen wir ein ins Forum-Fest-Wochenende.
“inTarsi” Bewegungstheater, Akrobatik und Tanz aus Barcelona
Compañía de Circo „eia“
Freitag 13. September 2019
19:30 Uhr, Forum
Großer Saal
Tickets im Kartenbüro des Forums oder hier bequem online bestellen.
Schüler- und Wahl-Abo 1A
Freiverkauf: 13,00 € bis 25,50 €



Samstag, 14. September 2019 - Gala & Talk
Gala & Talk
Wir rollen den roten Teppich aus – für 50 Jahre Kultur und kulturelle Bildung. Schauspiel, Tanz, Musik, Kabarett, Ausstellungen, Vorträge und Kurse haben den Menschen in Leverkusen ganz individuelle Impulse gegeben. Und das soll auch in Zukunft gelingen. Darum heißt es heute: Blick zurück nach vorn.
Im Zentrum des Auftaktwochenendes steht die Gala im Terrassensaal des Forums, bei der keineswegs edelste Abendgarderobe gefragt ist (wer will, kann natürlich gerne!), sondern vor allem große Neugier und ausgelassene Festlaune. Langeweile kommt bei dem unterhaltsamen Mix, moderiert von Oli Materlik, garantiert nicht auf.
Interessante und wichtige Momente der Forum-Geschichte leben durch Zeitzeug_innen und Weggefährt_innen in Talkrunden auf. Unter anderem dabei: Forum-Architekt Ulrich von Altenstadt, Kabarettist Wilfried Schmickler, der musikalische Leiter der Westdeutschen Sinfonia Leverkusen Dirk Joeres, Comedy-Star Ralf Schmitz, Höhner-Frontmann Henning Krautmacher und viele andere.
Bisher nie gezeigte Videos und Fotos aus den Archiven der Stadt lassen 50 Jahre Forum-Geschichte lebendig werden. Und auch die Frizzles werden sich in ihren Impro-Comedy-Szenen mit der Vergangenheit des Hauses befassen. Die Band Swing-Ticket begleitet Tanz- aber auch Quasselwütige bis in die späten Stunden.
Samstag, 14. September 2019
19:30 Uhr, Forum
Terrassensaal
Einlass: 18:30 Uhr
Tickets im Kartenbüro des Forums oder hier bequem online bestellen.
Sonntag, 15. September 2019 - Clownerie & Familie

Clownerie & Familie
Das Forum erkunden? Herzlich willkommen! Am Sonntag gehört das Forum der Familie und zeigt auf allen Ebenen, was es kann.
Im Studio feiert die belgische “Compagnie Krak” mit poetischer Clownerie den 50. Geburtstag des Forums. In ihrem Stück “Viva Victor” dreht sich die bezaubernde und komische Show um das Geburtstagskind Victor … Mehr wird nicht verraten.
Der sechseckige Agam-Saal im ersten Stock ist ein begehbares Kunstwerk: Die farbigen Paneele der Wände bilden je nach Position des Betrachters unterschiedliche Grafiken. Ein besonderer Ort für die musikalische Revue "Somewhere, there´s a place to be" – dargeboten von Schülerinnen und Schülern der Musikschule Leverkusen unter musikalischer Leitung von Camille van Lunen und der tänzerischen Leitung von Helene Krassa.
Bühnenführungen, Erläuterung der Rauminstallation im Agam-Saal, historische Filmdokumente im Kinosaal, Bewegungs-Parcour auf dem Vorplatz: junge, frische Kultur erlebt man hier ganz unkompliziert.
Sonntag, 15. September 2019
ab 10:30 Uhr, Forum
Tickets im Kartenbüro des Forums oder hier bequem online bestellen.
Vorstellung “Viva Victor”:
11:00 und 16:00 Uhr, Studiobühne
Freiverkauf 5,00 €/7,00 €
Familienkarte: 20,00 € (zwei Erwachsene und zwei Kinder unter 14 Jahren)
Der Eintritt für die folgenden Veranstaltungen ist frei:
Musikalische Revue “Somewhere, there’s a place to be
15:00 Uhr, Agam-Saal
“Auf dem Weg in die Zukunft”, Leverkusen-Film
11:00 Bis 18 Uhr nonstop, Kommunales Kino
Bewegungs-Parcours
12:00 bis 17:45 Uhr, Forum-Vorplatz
Bühnenführung*
12:30 und 14:00 Uhr, Treffpunkt: Forum-Information
*Die Zahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Kostenlose Tickets können unter tickets@kulturstadtlev.de gebucht werden und ein Kontingent wird an der Tageskasse erhältlich sein.

50 Jahre Forum – das Auftaktwochenende
Es ist uns ein Fest, liebes Publikum: Das Forum feiert in der Saison 2019/2020 seinen 50. Geburtstag. An drei Tagen erwartet Sie ein vielfältiges und fröhliches Programm – für treue Besucher und neugierige Entdecker.
Und hier gibt es den Programm-Flyer zum Download.
FORUM-Geschichte(n)
Forum-Geschichte(n) – das Forum wird 50 und zum Jubiläum haben wir ein paar besondere Erinnerungen gesammelt. Menschen, die das Forum und seine Kultur möglich machen, erzählen.
Forum-Geschichte(n) #1
Ein besonderer Spielplatz: Das Forum für Kinder und Jugend
Unbefangen erkunden Kinder das Forum. Sie fluten den Vorplatz und stürmen ins Foyer. Die Architektur scheint wie gemacht für Kulturentdecker mit viel Bewegungsdrang. Es gibt Platz. Filigrane Kristalllüster oder gedrechselte Brokatbänke fehlen – zum Glück. Im sachlich gestalteten Interieur funkelt und schimmert die Kultur selbst!
Kinder und Kultur – im Forum Leverkusen finden sie spielend leicht zusammen. An diesem Erfolg sind übrigens auch Hostessen und Hosts beteiligt. Geduldig und ruhig stehen sie den Pädagogen zur Seite und geleiten die dynamischen Schülerinnen und Schüler zu ihren Plätzen.
Viele junge Menschen kommen zum ersten Mal im Rahmen einer Schulveranstaltung mit solch einer Kulturstätte sowie Tanz, Gesang und Theater in Berührung. Andere sind schon Dauergäste. Alle sollen sich so wohlfühlen, dass die junge Seele berührt wird – Kultur für Kinder und Jugendliche erfüllt einen besonderen Bildungsauftrag.
Unterricht erlebt im digitalen Zeitalter einen tiefgehenden Wandel: Das interaktive Display ersetzt Kreide und Tafel, bindet Smartphone und Tablet der Schüler ein, frontal löst sich auf in modular … Bildung wird neu inszeniert. Bewegte Bilder, Töne, ein Strom an Informationen begleiten die Wirklichkeit von Kindern und Jugendlichen.
Das Forum gibt Raum für Reflektion. Die jungen Besucherinnen und Besucher sind gefesselt: Da spielen, singen, tanzen echte Menschen! Deren Mut, Professionalität und Anstrengung dringt vor ins jugendliche Publikum. Stücke zum Thema Cybermobbing schlagen geschickt die Brücke zur Wirklichkeit und geben Raum für Diskussionen. Sich wegträumen ist genauso möglich, wie auch sich auseinanderzusetzen. Immer wieder gibt es im Anschluss an die Vorstellung den Dialog mit Ensemble und Regie.
Im Rahmen von Schulaufführungen und Abi-Bällen sind die jungen Menschen selbst Darsteller und inszenieren ihre Vorstellungen – im doppelten Sinn des Wortes. Und manchmal werden auf der Bühne Träume wahr. So hatten sich die Mitglieder der Tanzgruppe „Traumtänzer“ – eine Initiative der Lebenshilfe Leverkusen e.V. – gewünscht, einmal auf dieser großen Forum-Bühne agieren zu dürfen. Diese Stunden wurden zum unvergesslichen Erlebnis voll großer Freude – für die Menschen mit geistiger Behinderung wie das Forum-Team.
Bleiben wir beim Tanz: Manchmal ist die Bühne des Forums ein Sprungbrett für die große Karriere. Der Tänzer und Choreograf Philippe Kratz trat auch hier zum ersten Mal ins Rampenlicht. Das Talent des 1985 geborenen Leverkuseners hatten Helena Krassa in ihrer Ballettschule und Suheyla Ferwer, die künstlerische Leiterin des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, früh erkannt und gefördert. Heute gehört Kratz zu den Hoffnungsträgern der Choreografie … der Jugend gehört die Zukunft.
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Biggi Hürtgen. Die Diplom-Verwaltungswirtin kümmert sich als Betriebsleiterin um die Bereiche Forum, Kulturbüro, Museum Morsbroich, Volkshochschule, Stadtbibliothek, Stadtarchiv und Musikschule. Sie hat dabei nicht nur die Zahlen und wirtschaftlichen Ziele im Blick, sondern spannt mit ihren Teams den großen kulturellen Bogen der Stadt Leverkusen.
Schon als Kind besuchte Biggi Hürtgen die Tanz- und Theatervorführungen im Forum – immer wenn eine Karte des elterlichen Abonnements nicht genutzt wurde, durfte sie einspringen. „Früher traf man die Darsteller nach der Vorstellung in der Restauration. Da durfte ich auch dabei sein und diese Nähe war toll. Die Künstler strahlten auch nach der Anstrengung eine besondere Energie aus. Das fasziniert mich bis heute“, erklärt eine Frau, die Kultur mit Struktur betreibt.
Forum-Geschichte(n) #2
Das Forum beweist Format – der ehemalige Dramaturg Dr. Bilstein erinnert sich

„In diesem Papageienkäfig trete ich nicht auf!“, rief Will Quadflieg, als man ihm den Agam-Saal als Ort für seine Lesung vorstellte. ‚Starkes Stück’, möchte man sagen, handelt es sich doch um eine Rauminstallation von hohem künstlerischem Wert. Dramaturg Dr. Michael Bilstein nahm es gelassen. Er verstand, dass die „bewegende“ Wandgestaltung den Vortragskünstler ablenken würde. Quadflieg brauchte nicht nur akustische sondern auch visuelle Ruhe. Der Dramaturg bot den Kinosaal als Alternative an – der renommierte Schauspieler war zufrieden, der Abend gelungen.
Dr. Bilstein agierte in den Jahren 1972 bis 2000 als Dramaturg im Forum. Zunächst als Einzelkämpfer – da war er Mitglied einer Gruppe von Verwaltungsfachleuten und allein für die inhaltliche Ausrichtung des Gastspielhauses verantwortlich. In brenzligen Situationen fanden auch seine Kollegen kreative Lösungen. Beispielsweise als „Die Ratten“, Drama von Gerhart Hauptmann, auf dem Programm stand. In einer der Hauptrollen: Günter Lamprecht. Das Haus war voll, aber die Technik noch nicht am Start. Fünf Stunden warteten die Besucherinnen und Besucher geduldig, unter anderem weil Verwaltungsfachmann Helmut Nonnenkamp die Wartezeit mit dem Spiel eines Leierkastens überbrückte. Auch Erbsensuppe wurde gereicht, sagt man, bis sich der Vorhang endlich hob.
So ruhig, wie Dr. Bilstein heute seine Erinnerungen teilt, ging er aufregende Situationen an. Da gab es eine vergessliche Sopranistin. Sie war gebucht für die Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss (Sohn). Man wartete und wartete in Leverkusen und sie saß gemütlich in ihrem Haus. Was tun? Für die Anreise war es zu spät. Also wurde die Sängerin Gerlinde Lorenz angerufen. Sie hatte die Rolle schon gegeben und lebte quasi um die Ecke, im Bergischen Land. Heute unvorstellbar: Mittels Festnetzanschluss gelang der Kontakt, sie rauschte ins Forum und rettete die Vorstellung.
Unvergesslich: Peter Zadeks Inszenierung des „Othello“.Seine Shakespeare-Interpretation kam vor der offiziellen Premiere im April 1976 am Deutschen Schauspielhaus Hamburger im Forum zur Aufführung. Ein rasender Ulrich Wildgruber als Othello und eine intensive Eva Mattes als Desdemona. So was hatte man noch nicht gesehen! Bravo und Buh gaben sich ein Duell, während die Kompanie wacker weiter spielte. Heute wissen wir: Das Forum hat mit diesem Gastspiel Theatergeschichte geschrieben.
Die räumlichen Möglichkeiten des Forums sowie Mut und Feinsinn seiner Dramaturgen beweisen bis heute in jeder Hinsicht Format.
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Dr. Michael Bilstein. Der Leverkusener studierte in Berlin Publizistik, Germanistik und Theaterwissenschaften. Er promovierte über die Schauspielerin Hermine Körner. “Die Zeit in Berlin von 1961 bis 1972 war prägend für mich. Wir besuchten ja nicht nur die Aufführungen im Westen.“ Inszenierungen an der Volksbühne, am Deutschen Theater und das Maxim-Gorki-Theater in Ost-Berlin bereicherten den Wissensschatz den jungen Michael Bilstein. Wie seine Kollegin Claudia Scherb, die seit 2002 als Dramaturgin am Forum tätig ist, im Gespräch ebenfalls sagte: Es ist wichtig, seine Sehgewohnheiten zu schärfen.
Ständiges Schauen stärkt das Qualitätsbewusstsein und hat ihm wie ihr Mut gemacht auch Unbequemes zu probieren. Der „Workshop zeitgenössische Musik“ gehörte zu solchen Versuchen in der Ära Bilstein. Stücke der Komponisten Karlheinz Stockhausen, John Cage und Helmut Lachmann fanden mit dem Agam-Saal gute Akustik und perfekt Kulisse für – zugegeben – einen kleinen Kreis an Besuchern. Man setzte Akzente, zu denen auch das Stück „Minetti“ von Thomas Bernhard gehörte. Der Schauspieler Minetti selbst trat auf und verwandelte die Unruhe des Publikums in Konzentration. Das legendäre „Grips-Theater“ aus Berlin zeigte die Auseinandersetzung mit der antiautoritären Erziehung … es war und ist Bewegung im Form.
„Der Kreis von Kennern ist kleiner geworden, scheint mir. Und auch das Fernsehen bringt nicht mehr so häufig Übertragungen von Schauspiel oder Tanz“, bemerkt Dr. Bilstein eher mit Bedauern als Ärger. „Wie wichtig ist da die Arbeit des Forums!“ Man pflichtet ihm gerne bei.
FORUM-GESCHICHTE(n) #3
Vertrauen hat im Forum ein festes Engagement

Pro Spielzeit richten sich 15 bis 18 Veranstaltungen des Forums an Kinder und Jugendliche. In den meisten Fällen verschwindet das Handy in der Tasche und die Aufmerksamkeit gehört der Bühne. Was in den jungen Menschen vorgeht? Welche Inspirationen sie mitnehmen? Das ist ganz individuell. Die Dramaturgin Claudia Scherb hat allerdings eine Ahnung vom Spektrum der Emotionen. Sie stellt mit einem Vorlauf von mehreren Monaten, ja manchmal Jahren, die Stücke zusammen für das Kinder- und Jugendtheater sowie für Tanz, Schauspiel und Musiktheater. Insgesamt sind es 40 bis 42 Vorstellungen pro Spielzeit. Eine Grundschullehrerin sagte einmal zu Claudia Scherb: „Wir vertrauen Ihrer Auswahl“ und formulierte, was jede Spielzeit über die Inhalte hinaus so wertvoll macht: Vertrauen.
Das Forum ist ein Gastspielhaus. Das heißt, jedes Ensemble ist quasi zu Besuch. Das erfordert viel Einfühlungsvermögen und Professionalität auf allen Seiten. Die Beziehung zwischen Veranstalter, Künstler und Publikum basiert auf Vertrauen und funktioniert in jede Richtung. So weiß Claudia Scherb, dass die Theaterleute ihr Publikum während der Vorstellung spüren – egal wie laut sie auf der Bühne sprechen oder wie schnell sie sich bewegen. Zwar fühlen sich Zuschauerinnen und Zuschauer im Dunkel des Raums verborgen, doch das täuscht. Von der Bühne aus hören und sehen die Akteure in den Saal und erleben die Reaktionen – Konzentration, Staunen, Unruhe, Abneigung. Immer liegt der Wunsch einer Kompanie darin, eine vertrauensvolle Beziehung zum Publikum aufzubauen. Gelingt das, sagt man in Künstlerkreisen: „Das Publikum hat mitgeatmet.“
Überhaupt bekommt Claudia Scherb regelmäßig positives Feedback von den Akteuren. „Ihr habt hier im Forum ein tolles Publikum“, hört sie immer wieder hinter den Kulissen und freut sich auch anlässlich des Jubiläums zum 50. Geburtstag das Kompliment an die Besucherinnen und Besucher weiterzugeben. Bei jedem Gastspiel, das sie als Dramaturgien verantwortet, mischt sie sich unter das Publikum und nimmt ihren Dienstplatz ein. So amtlich nennt man die zwei äußeren Sitze in Reihe 12. Von hier erreicht Claudia Scherb schnell das Foyer und ist rasch hinter der Bühne – falls doch einmal Unvorhergesehenes passiert.
In ihrer 30-jährigen Berufslaufbahn erlebte Claudia Scherb über 2.000 Inszenierungen, viele als „Scout“ für das Forum. Die erfahrene Dramaturgien freut sich: Es gibt immer noch Produktionen, die sie ins Staunen versetzen. Passen Qualität, Technik und Finanzen sowie die Balance im Programm, nimmt Claudia Scherb Kontakt auf und versucht solch ein aufregendes Stück ins Forum zu lotsen. Sie hat sich Offenheit bewahrt und teilt sie gerne mit dem Forum-Publikum in Leverkusen.
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Claudia Scherb. Nach dem Magisterstudium der Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaften ging sie unter anderem an die Wuppertaler Bühnen und arbeitete dort von 1991 bis 1994 in der Öffentlichkeitsarbeit mit. „Auf das Forum als Spielstätte für großartige Aufführungen, vor allem im zeitgenössischen Tanz, wurde ich damals schon aufmerksam und erlebte hier 1994 Gastspiele wie Kresniks Tanzstück ‚Francis Bacon’ mit Ismael Ivo und Tero Saarinen oder 1999 Meryl Tankards Tanztheater aus Australien.“
Aber auch die feinen, kleinen Spielformen schätzt Claudia Scherb, seit sie 2002 ihre Arbeit als Dramaturgin im Forum aufnahm. „Der Eiserne Vorhang hat eine runde Form und schließt vor dem Orchester ab. Dadurch schaffen wir eine Studiobühne im großen Saal, wo das Publikum nah am Spielgeschehen ist und doch alle technischen Möglichkeiten der Bühne genutzt werden können.Ein Traum!“
Wie tief und vertrauensvoll die Beziehung zwischen Publikum und Kompanie sein kann, zeigt eine Begebenheit aus dem Jahr 2007. Choreograph, Tänzer und Musiker Eric Gauthier war mit seiner gleichnamigen Company eingeladen. Die Proben liefen, als Eric Gauthier erfuhr, dass die Ehefrau eines Tänzers unerwartet kurz vor der Entbindung stand. Er schickte seinen Tänzer zurück nach Stuttgart und disponierte um. Das Ensemble und natürlich die gesamte Technik des Forums stellten sich sofort darauf ein. Bevor sich der Vorhang hob, trat Eric Gauthier vor das Publikum und erklärte, warum es Änderungen im Programm geben würde und erhielt für seine Entscheidung warmherzigen Applaus – man kannte sich bereits und hatte viel Vertrauen. Das wurde nicht enttäuscht! Das Publikum war von der Vorstellung begeistert. Der Applaus wollte kaum enden, als der Choreograph nach der Vorstellung verkündete: Das erste Gauthier Dance-Baby ist auf der Welt!
FORUM-GESCHICHTE(n) #4
„F“ wie Freiheit … Und wie Forum
Türen? Gibt es im Forum da, wo sie wirklich gebraucht werden. Eingang, Großer Saal, Kinosaal, Clubräume, Agam-Saal, VHS-Hörsäle, Verwaltungsbüros und … die Toiletten lassen sich schließen. Sonst heißt es: Bitte eintreten!
Die Freiheit der Kunst kann sich an so einem Ort vollkommen entfalten. So sehr, dass die Türen des Großen Saals in ihrer Geschichte auch schon mal zum Ausdruck des Missfallens benutzt wurden. Eine Inszenierung des Dramas Endspiel von Samuel Beckett verließen die Gäste Mitte der 1980er-Jahre unter Protest und eben türenknallend.
Türen zu und Augen auf: Eine junge Frau erlebte diesen Eklat als Impuls. Anke Holgersson leitet heute das Kulturbüro in Leverkusen. Damals hatte die Schülerin ein Abonnement und liebte es, im Forum zu sein. Leichte Unterhaltung wie Die Fledermausvon Johann Strauss standen ebenso auf dem Programm wie anspruchsvolle Inszenierungen, zu denen Endspielmit karger Kulisse und provozierenden Dialogen gehörte. Für die einen war es ein Aufreger. Für Anke Holgersson ein Grund genauer hinzuschauen und schließlich Theaterwissenschaften zu studieren.
Innere Türen öffnen und neue Einblicke gewähren: Das gelingt im Forum auf vielen Ebenen mit dem Theater- und Konzertbetrieb, den Kursen der Volkshochschule und der Möglichkeit, sich selbst einmal auf der Bühne auszuprobieren, zum Beispiel bei Abibällen oder Schultheateraufführungen. Auch die Freie Szene Leverkusens ist immer wieder zu Gast. So führen beispielsweise die drei Institutionen Studiobühne, matchboxtheater und Junges Theater Leverkusen anlässlich des Forum-Geburtstags gemeinsam die Inszenierung Gretchen 89ff, ein Theaterkabarett von Lutz Hübner, auf.
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Anke Holgersson. Die Leverkusenerin hat Theaterwissenschaften in Köln und London studiert. Seit 2002 leitet sie das Kulturbüro und freut sich, gemeinsam mit ihrer Kollegin Yvonne Klefisch, die Freie Kulturszene ihrer Heimatstadt zu fördern. Viele Projekte hat das Kulturbüro in Leverkusen umgesetzt. Große Erfolge feiert die Leverkusener Kunstnacht. Sie findet jährlich statt und wurde vom Kulturbüro zusammen mit den Akteurinnen und Akteuren der Freien Szene entwickelt.Buchstäblich nicht mehr wegzudenken: Levliest – ein Format, das von Stadtbibliothek und Kulturbüro gemeinsam entwickelt wurde und die Stadt alle zwei Jahre mit dem Lesefieber ansteckt. Auch bei den vom Land NRW geförderten Initiativen Kulturstrolche, Kulturrucksacksowie Kultur und Schulemit und für Jugendliche arbeitet das Kulturbüro erfolgreich mit den Leverkusener Künstlerinnen und Künstlern zusammen.
„Das Haus war für mich als Teenager das Tor in eine andere Welt, voller Glamour. Ich habe das Forum immer mit einem Kribbeln im Bauch betreten und die besondere Atmosphäre gespürt. Ich weiß nicht, ob ich ohne die Aufführungen, die ich hier erlebt habe, auf die Idee gekommen wäre, mich für ein Theaterstudium zu entscheiden. Ich hätte nicht zu träumen gewagt, einmal selbst hier arbeiten zu dürfen“, sagt Anke Holgersson über ihre Beziehung zum Forum.
Während des Studiums meinte das Schicksal es gut mit der jungen Frau: Das Arbeitsamt vermittelte ihr einen Studentenjob im Forum – es sollte eine Ausstellung aufgebaut werden. Der direkte Weg von der Anlieferung zu den Räumen führte über die Bühne. Die tanzbegeisterte Studentin wähnte sich alleine, pausierte die Schlepperei der Kisten und legte einen kurzen Stepptanz hin. Prompt gab es Applaus von den bis dahin verborgenen Tontechnikern und Beleuchtern.
FORUM-GESCHICHTE(N) #5
Spielerisch die Perspektive wechseln: Der Agam-Saal ist Konzept

Im ersten Stock links betritt man den Saal, bewegt sich und dann passiert es: Die Wände bewegen sich ebenfalls! Was ist hier los? Magie ist nicht im Spiel. Aber zauberhaft wirkt die Rauminstallation schon. Der israelische Künstler Yaacov Agam verwandelte den sechseckigen Veranstaltungssaal komplett in ein kinetisches Kunstwerk. Dafür wurden dreieckige Paneele angebracht. Deren grafische und farbliche Gestaltung hat Agam so geschickt ausgearbeitet, dass die Bewegung des Betrachters zwei verschiedene Motive formt: eines vorwiegend schwarz und weiß gestaltet, das andere in klaren Farbtönen. Das Stadium dazwischen regt die Neugier an.
Weg vom Schwarz-Weiß-Denken, hin zur Farbe! Dieses Konzept liegt auch einer musikalischen Produktion zugrunde, die anlässlich des 50. Forum-Jubiläums im Agam-Saal aufgeführt wird. Gesangsklasse und Rhythmusgruppe der Musikschule Leverkusen entwickelten ein Stück, das auf der Geschichte von Romeo und Julia basiert. Ihre Liebe überwindet den Kampf oppositioneller Clans. Die multikulturell geprägte Gruppe junger Künstlerinnen und Künstler übertrug das Bild auf die spannungsgeladene Weltpolitik und ergründete, wie Menschen mit verschiedenen Auffassungen zueinander kommen können. Somewhere, there’s a place to be ist eine anspruchsvolle Arbeit, umgesetzt zu Musik von Leonard Bernstein, George Gershwin, Cole Porter und Christopher Klassen – einem ehemaligen Schüler der Musikschule Leverkusen. Pur, rein, echt: Unplugged singen und musizieren die jungen Künstlerinnen und Künstler im Agam-Saal, einem Raum für neue Perspektiven.
Apropos Perspektiven: Der Chor hat mit dieser Produktion eine echte Wandlung erfahren durch Helena Krassa. In Leverkusen steht sie mit ihrem Ballettstudio für Tanzkultur und wirkt in vielfältigen Produktionen mit. Bei Somewhere, there’s a placeto beführte sie Regie und von ihr stammte die Choreografie für einen tanzenden Chor. Das ist einzigartig und gelungen. Die Sängerinnen und Sänger konnten neue Fähigkeiten entwickeln. Praktischer Perspektivwechsel!
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Camille van Lunen. Zusammen mit der Pianistin und Korrepetitorin Elke Schäfer-Ludin gibt die Sängerin und Komponistin ihr umfassendes Wissen seit 30 Jahren begeistert unter anderem an die Gesangsklasse der Musikschule der Stadt Leverkusen weiter.
„Die Zusammenarbeit mit der professionellen Ballettlehrerin Helena Krassa für unser Musical im Sommer 2019 hat auch mir neue Perspektiven eröffnet: Gesang fusionierte mit Tanz. Das war toll!“
„Für meine Schüler ist der Besuch einer Produktion im Forum so wertvoll wie 10 Unterrichtsstunden“, gibt die erfahrene Pädagogin freimütig zu. „Sie ziehen Energie und Motivation aus den Stücken, die professionelle Ensembles hier darbieten. Das gibt unserer Arbeit wertvolle Impulse.“
FORUM-GESCHICHTE(N) #6
Ohrstöpsel, Bonbons und Nähzeug? Die Information leistet erste Hilfe in jeder Form und Lebenslage

Man traut seinen Ohren nicht: Es gibt Besucher, denen ein Konzert schlicht zu laut ist. Das passiert zwar selten, aber auch für solche Fälle ist man im Forum Leverkusen gerüstet. Ohrstöpsel gibt es bei der Information im Foyer.
Und nicht nur das. Bonbons gegen Hustenreiz, Papiertaschentücher bei Schnupfen oder Rührung liegen genauso bereit wie Pflaster für kleine Verletzungen. Unsere Information ist quasi die Mutter aller Serviceleistungen im Haus. Eigentlich erhalten Besucher hier Information – wie der Name ja schon verrät. Doch das Team hinter dem Tresen aus Stein hat ein Herz aus Schokolade. Es schmilzt bei jeder Anfrage, die freundlich gestellt wird. Selbst aufgebrachte Forderungen werden mit Ruhe, Sorgfalt und vielleicht etwas geringer ausfallendem Schmelz bearbeitet.
Warum funktioniert die Schranke im Parkhaus nicht? Wieso ist das Konzert ausgebucht? Wie komme ich zum Spanischkurs für Anfänger? Das Team der Information nimmt sich wirklich jeder Frage und Beschwerde persönlich an. Man bildet die Verbindung zu Kooperationspartnern wie den Parkhausbetreibern (denn APCOA ist kein städtisches Unternehmen) sowie zur Volkshochschule, die ebenfalls im Forum beheimatet ist. Die interne Verbindung klappt sowieso durch regelmäßige Teambesprechungen.
Das Forum ist ein offenes Haus für alle Bürger der Stadt. Man erlebt Kultur in vielen Facetten und das soll gelingen. Die Mitarbeiter der Information sind Empfangskomitee, medizinische Erstversorger, Weiterhelfer bei allen Fragen … die Liste kann jeder Gast unseres Hauses individuell ergänzen.
Welche Bezeichnung würde wohl die Besucherin der Ü-30-Party wählen, die mit zerrissenem Trageriemen der Handtasche aufkreuzte? Ganz praktisch veranlagt griff die Mitarbeiterin zum Nähzeug, reparierte das Täschchen und entließ die glückliche Dame zurück ins Vergnügen … Zeugwart für Tanzwütige? Egal, wie man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Information nennt: Sie sind mit Herz und Hand dabei!
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Andrea Kühl. Die Leiterin der Verwaltung kümmert sich um die administrative Struktur des Forums. Verträge mit Künstlern wie für Vermietungen arbeitet sie individuell aus, erstellt jedes Jahr den Wirtschaftsplan, organisiert das Kartenbüro, den Hostessdienst und auch die Information – um nur einige Arbeitsfelder zu nennen.
Einmal wurde ihr Büro für einen Filmdreh als Schauplatz gewählt. „Unglaublich, wie viele Leute da reinpassen!“ erinnert sich Frau Kühl. „Neue Farbe und anderes Interieur hatten den Raum komplett verwandelt. In der kurzen Filmszene habe ich mein Büro nicht wieder erkannt. So entstand eine Bühne hinter der Bühne“, erklärt sie mit einem Augenzwinkern.
FORUM-GESCHICHTE(N) #7
Der rechte Winkel kommt in Schwung: Das Forum als Zentrum für zeitgenössischen Tanz

Es sollte keine „rechteckige Kiste“ werden, berichtete Forum-Architekt Ulrich von Altenstadt im Jahr 2009*. Parallel zum 40. Geburtstag wurde das Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt und fasziniert bis heute durch seinen außergewöhnlichen Grundriss. Von Altenstadt wählte das regelmäßige Sechseck als gestalterisches Prinzip.
Bienenwaben und kristalline Strukturen überzeugen durch Stabilität mit der Anordnung dieser hexagonalen Formen. Das Sechseck an sich wirkt dynamisch. Nicht Rechteck, nicht Kreis, immer auf dem Weg – so mag man die Form interpretieren. Da wundert es nicht, dass speziell der zeitgenössische Tanz im Forum seine Bühnen findet.
Ähnlich sieht es Philippe Kratz. Der international agierende Tänzer und Choreograph stammt aus Leverkusen. Im Jahr des 50. Forum-Jubiläums ist er 34 Jahre alt, blickt zurück und noch lieber nach vorne. Auf dieser Bühne stand er zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren, erinnert er sich mit einem Lächeln. Eine überdimensionale Eierschale wackelte auf seinem Kopf. In der tänzerischen Interpretation von Mussorgskis Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“ der Ballettschule Helena Krassa stellte Philippe ein Kücken dar, das bereits ganz selbstbewusst auftrat … Das war im November 1990.
„Ich fand es schon immer genial auf der Bühne zu stehen.“ Zum Glück! Ballettmeisterin Helena Krassa und Tanzpädagogin Suheyla Ferwer, Leiterin der AG Bühnenkunst am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Leverkusen Schlebusch, erkannten und förderten sein Talent.
„Ich denke, so ein sachliches und zugleich emotionalisierendes Haus, wäre ohne die Kultur des Bauhaus nicht möglich gewesen“, sagt Philippe Kratz mit Blick auf das Forum und seine neuste Choreografie, die im August 2019 Premiere hat. Während das Forum seinen 50. feiert, erinnert man weltweit an den 100. Geburtstag der Bauhausbewegung. Auch Philippe Kratz nahm diesen Impuls auf und beschäftigte sich eingehend mit der Gestalterin Anni Albers. Sie widmete sich am Weimarer Bauhaus der Webkunst. „Ihre Detailverliebtheit fasziniert mich“, erklärt Kratz, der ihr textiles Werk studierte und daraus Inspiration für „cloud | materia“ erhielt. „Man zieht an einem Faden und das gesamte Stoffstück gerät in Bewegung. So suche ich am Körper die Aktionspunkt und frage: Was ist nötig für die Bewegung? Diese Bewegungsmuster forme ich wie einen textilen Rapport zum Tanz.“
Vielleicht wird diese Produktion, die Philippe Kratz 2019 für die italienische Kompanie Aterballetto kreiert, einmal im Forum gastieren – so wie viele berührende Inszenierungen weltberühmter Ensembles und wahrer Geheimtipps zuvor. Der Tänzer und Choreograph wünscht sich und dem Forum-Publikum auch in Zukunft: Verwundert bleiben, nicht abgeklärt sein!Tanz soll bewegen, muss nicht schön sein und darf verstören. Dann entsteht Resonanz.
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Philippe Kratz. Der Leverkusener sah als Grundschüler eine Aufführung von „Westside Story“ im Forum und war elektrisiert: Er wollte tanzen. Seine Mutter fand das gut und förderte ihn nach Kräften. Philippe besuchte die Ballettschule von Helena Krassa. Für die weitere Schulbildung fiel die Wahl zunächst auf das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium mit der spartenübergreifenden AG Bühnenkunst. Ihre Leiterin, die Tanzpädagogin Suheyla Ferwer, zog immer wieder professionelle Tänzer hinzu. „Mit diesen Vorbildern und meinem Tanz-Abonnement für das Forum erweiterte ich mein Wissen“, erinnert sich Philippe Kratz.
Während der Oberstufe ging er für ein Jahr zum Austausch nach Montreal, Kanada und besuchte eine Schule, die jeden Tag Ballettunterricht anbot. „Da wurde mir klar: Ich will Tänzer werden. Wieder in Deutschland machte ich mein Abitur an der staatlichen Ballettschule Berlin und wurde zugleich staatlich geprüfter Bühnentänzer. Der Unterricht an dieser Schule war perfekt, denn Tanz und klassischer Schulstoff waren verwoben. So nahm ich das eine wie das andere optimal auf.“ Die Zeit in Berlin hat er geliebt und in machen Stücken von Philippe Kratz kann man Einflüsse der Clubkultur entdecken. „Diese Moves der Masse nehme ich auf und stilisiere sie in meiner Choreografie. Das stiftet Identifikation.“
Überhaupt beschäftigt sich Kratz mit Grundformen des Tanzes. Welche rituellen Bewegungen gibt es bei Taufe, Hochzeit, Bestattung? Er fragt: Wo fängt der Tanz an? Nach zwei erfüllenden Jahren als Solist am Stadttheater Dortmund wechselte Kratz im Jahr 2008 zur Kompanie Aterballetto, Italien. Philippe Kratz wird als Mitglied der stART-Academy von Bayer Kultur unterstützt. Die Fachwelt prophezeit ihm eine glänzende Karriere als Choreograph.
* Quelle: www.ksta.de/forum-architekt--fuer-mich-ein-jahrhundertbauwerk---12633440
FORUM-GESCHICHTE(N) #8
Für Multitalente wie einen Kurt Stichnoth ideal: das Forum

„Der Terrassen-Saal ist eigentlich ein Foyer … ein sehr großzügig bemessenes Foyer.“ Daran erinnerte Biggi Hürtgen anlässlich des Pressegesprächs zum Auftaktwochenende der Jubiläumsspielzeit 2019/2020. Dieser Bau ist eine Referenz an das Publikum! Wie viel Optimismus spricht aus diesen Dimensionen. Und: wie viel Raffinesse. So lässt sich der Raum zwischen Eingang und Garderobe sowie dem großen Saal multifunktional nutzen. Durch die treppenförmige Anlage – daher „Terrassen-Saal“ – ergeben sich immer wieder neue Blickwinkel für die Besucherinnen und Besucher sowie Möglichkeiten der Inszenierung für die Kunst.
Kurt Stichnoth kennt jeden Winkel des Hauses. Da ist zunächst der Karneval und mit ihm der Terrassen-Saal. Hier glänzte Stichnoth als Büttenredner in Rollen wie „schüchterner Rheinländer“, “Halbstarker“, „Leverkusener Fremdenführer“ oder „Dr‘ Schuljunge“. Ein guter Beobachter ist er und mit feinem Wortwitz kitzelte er die Lachmuskeln des aufmerksamen Leverkusener Publikums. Allerdings musste er sich auch mal Buh-Rufe gefallen lassen, als er für einen heiseren Kollegen einsprang, auf die Bühne im Terrassensaal kletterte und mit seinen Vortrag als „prinzlicher Protokollführer“ der angeheizten Stimmung einer Herrensitzung nicht gerecht wurde. In solchen Situationen ist ein Stichnoth konsequent, verbeugt sich kurz und macht kehrt. Ein Einzelfall und krasser Gegensatz zu den glücklichsten Momenten, die der Karnevalist aus Leidenschaft hier erlebte. In der Session 1988/89 übernimmt er als Prinz Kurt ll. das närrische Regiment in Leverkusen. Die Besucher der Sitzungen kommen in den Genuss seiner Talente, denn Singen und musizieren kann der gewandte Redner auch!Der Applaus trägt ihn sozusagen durch die Säle und im Terrassen-Saal des Forums fühlt es sich besonders gut an.
„Obwohl man stolz war, im Kölner Gürzenich aufzutreten: Es gab immer ein etwas mulmiges Gefühl. Je länger die Kleider, desto länger die Gesichter“, spielt Stichnoth auf den traditionellen und steifen Saalkarneval in den 1950er und 1960er-Jahre an. „Im Gürzenich sitzen die Leute an ewig langen Tischreihen im schmalen Saal und du musst dich auf das letzte Drittel konzentrieren, um alle zu erreichen. Im Terrassen-Saal ist man näher dran und kann mal improvisieren. Aber man ist auch gefordert, immer wieder die Richtung zu wechseln und auf der Bühne wendig sein.“ Für einen Stichnoth kein Problem! Auch als er vor 25 Jahren mit dem Rheinischen Abend ein Vierteljahrhundert Forum feierte.
Ebenso professionell hatte er den großen Saal im Griff. „Hier muss jede Bewegung sitzen! Du hast das Publikum perfekt im Blick und andersrum ist es genauso.“ Mit Chorkonzerten, die er viele Jahre lang moderierte, fühlte sich der Musiker auf der großen Bühne zuhause. Ein paar Jahre nach der Eröffnung des Forums gab man zum Beispiel mit sechs Chören die szenische Kantate „Carmina Burana“ von Carl Orff. „Ohne die tolle Technik und Menschen, die sie richtig bedienen, hätte das nicht so gut gewirkt“, erinnert sich der Musikliebhaber.
Im Jahr des 50. Forum-Jubiläums feiert Stichnoth selbst acht mal 11 Jahre und genießt die Kunst als Mitwirkender im Opladener Männerchor “Germania“. Er blickt auf ein reiches Werk als Moderator, Humorist, Musikproduzent und Grafiker. Für so einen scheint das Forum wie gemacht. Was ihn nicht davon abhielt, das ehrwürdige Haus aufs Korn zu nehmen. In seinem Gedicht „Das Forum“ witzelt er: Das Forum heißt Forum, weil man nicht sieht, wo forum und hintenrum ist!
Die Inspirationen zu dieser Forum-Geschichte stammen von Kurt Stichnoth, dem Sproß einer kreativen Familie, die ursprünglich aus dem Raum Hannover stammt.Mit sieben Geschwistern wuchs er in Leverkusen Wiesdorf auf. In seinem beliebten Lied „Du und Ich“ heißt es: „Am Büchelter Hof, wo et Forum steht, war früher ein Riesen-Gemüsebeet. Wo wir heimlich hab‘n Möhren jeklaut, ist heute jedes Fleckchen zujebaut.“ Glücklich war die Kindheit, erschütternd der 2. Weltkrieg. Wie konnte ein 14-Jähriger noch im zerstörten Wiesdorf die leichte Muse für sich entdecken? Die Fähigkeit, den Menschen Freude zu bereiten, wurde ihm wohl einfach in die Wiege gelegt. „Ich könnte morgens schon singen und muss mir den Mund zuhalten, sonst wecke ich meine Frau“, gibt er zu Protokoll. Einfühlsam und bedacht ist dieser Entertainer, der im Hauptberuf als Textildesigner und Grafiker tätig war. Seine Nummern wandelte er angepasst auf die Situation ab und brachte Heiterkeit an ungewöhnliche Plätze: eine Heilanstalt oder ein Gefängnis. Auch vor Blinden trat er auf … Nicht jedem Jecken gelingt das. „Wer will heute noch Büttenreden hören? Der Karneval wird zur Megaparty“, stellt Stichnoth fest und wirkt traurig. Auch den Chören fehle der Nachwuchs. Doch einer wie Stichnoth bläst nicht lange Trübsal und freut sich mit Leverkusen über das 50. Jubiläum des Forums.
FORUM-GESCHICHTE(N) #9
Mit 50 Jahren ist das Forum aktueller denn je: Architekt Ulrich S. von Altenstadt über die Möglichkeiten des kulturellen Zentrums
Häuser bauen oder Architektur schaffen? Der gesellschaftliche Anspruchmacht den Unterschied! Das Forum in Leverkusen ist dafür lebendiges Beispiel. Architekt Ulrich Schmidt von Altenstadt antwortet auf die Frage, ob es einen bestimmten Anspruch bei der Konzeption Ende der 1950er-Jahre gab, mit einem klaren: Ja. Angedacht war ein Ensemble, das Bildung und Kultur in allen Facetten vereinen sollte. Neben Theatersaal, großem Fest-Foyer, kommunalem Kino, einer Handvoll sonstiger Mehrzweckräume und der Volkshochschule, die heute unter dem Dach des Forums vereint sind, waren auch Museum, Haus der Jugend, Bibliothek und Musikschule angedacht, wurden jedoch nicht realisiert. Immerhin vergingen zehn Jahre vom ersten Strich der Idee bis zur Eröffnung. Die Spitze der Stadt wechselte, das Baurecht veränderte sich, man debattierte Leverkusens Eingemeindung zu Köln. Die Zeit zerrieb die kommunale Vorgabe eines großen ganzheitlichen Ansatzes. Der wurde unter Oberbürgermeister Wilhelm Dopatka als Idee „Forum“ dann mit Willi Kreiterling (Leiter Kulturamt), Fritz Schmidt (Leiter Bauamt) und von Altenstadt als Architekt wenigstens als erster Bauabschnitt realisierten.
„Sicher hätte so ein Komplex der Stadt Leverkusen ein Alleinstellungsmerkmal verliehen. Ist sie doch selbst ein Kunstgebilde aus verschiedenen Ansiedlungen und Dörfern. Der Ansatz stellte auch eine gesellschaftspolitische Aussage dar. Das Programm war progressiv. Man muss sich in die Zeit zurück versetzen. Die Stimmung im Leverkusen dieser Jahre war zukunftsorientiert. In den1960er-Jahren feierte man den Aufbruch in die Freiheiten nach dem Krieg und den Schrecken der Nazizeit . Alles war so offen.“ Aus diesem Gefühl entstand wohl auch der Name „Forum“ in Anlehnung an den Platz unter freiem Himmel für Diskussion, Handel und Kultur im alten Rom. Von Altenstadt meint sich zu erinnern, dass Herr Kreiterling auf die Idee kam – er kann es nicht beweisen. Im Wettbewerb hieß es noch wenig emotional „Kulturzentrum“.
Freiheit: Die Gestaltung der Räume sollte das wiedergeben. Die Menschen können sich im Forum frei bewegen. Es ist großzügig angelegt – man fühlt sich nicht räumlich gedrängt und kann aus dem vielfältigen Angebot wählen. Diese fließenden Übergänge eröffnen verschiedene Möglichkeiten der Nutzung, ja sie sind pure Inspiration. Das stellte auch Marion Grundmann, die ehemalige Leiterin der KulturStadtLev, bei ihrer Verabschiedung im Garderoben-Foyer fest. Damit sie die geladenen Gäste besser erreichte, erklomm sie einfach ein paar Stufen Richtung Terrassen-Saal und sagte sinngemäß: „Das ist hier so einfach. Man steigt schnell hinauf und hat eine neue Situation. Das Haus ist voll solcher Möglichkeiten.“
In dem sechseckigen Grundraster erkannte Ulrich S. von Altenstadt eine neue Möglichkeit, den ganzheitlichen Ansatz für das Forum elegant und funktional umzusetzen. „Mit dem Quadratraster geht es nicht weich um die Ecke!“ Reiht man allerdings Sechsecke aneinander, ergeben sich Grundrisse, die sich in fließenden Formen fortführen lassen. In der Vertikalenverzichtete der Architekt auf das Prinzip „Sechseck“, war aber begeistert von der Idee, einen Vortragsraum mit der kinetischen Kunst von Yaacov Agam auszustatten. „Kunst am Bau“ war damals ein Programm in der gesamten Republik und man verfolgte den Ansatz auch im Forum. Die einzelnen Räume sollten jeweils eigene Charaktere haben. „Agam baute den Raum mit der Installation naturgetreu als Modell. Dann wurden die Wandpaneele montiert und die circa 120 Farben angemischt. Kunststudenten malten präzise und ausdauernd die Muster des Modells auf die Paneele. Eine irre Arbeit! Aber der Effekt verblüfft bis heute.“
Kunst am Bau: Es gab auch eine Ausschreibung für den Großen Saal, deren Einreichungen allerdings nicht den akustischen Anforderungen genügten. Arbeiten für die parallel verlaufenden Saalwände mussten den Schall streuen. So entwickelte von Altenstadt selbst „Faltungen“ als Wandobjekte. Und die violette Farbgebung? Sie haben einen spirituellenTouch, wie er sagt. Grün wäre auch schön gewesen, erinnert sich der Architekt. Aber die Farbe für diesen besonderen Raum sollte besondere Empfindungen wecken. Eine schlichte Holzvertäfelung kam überhaupt nicht in Frage – „bürgerliches Theater“ nennt ein Visionär so etwas. Der kam im Prozess und in Kooperation mit Fachleuten auf weitere gute Ideen. So wurden individuelle Lichtsituationen entwickelt: kühl für Kongress in den Clubräumen und indirekt im Großen Saal. Ein Fachmann, von den Bühnen der Stadt Köln entsandt, entwarf die Technik für eine Bühne, die für durchreisende Ensembles funktionieren musste. Daraus ergab sich die Rundung am vorderen Bühnenrand. Sie schließt den Orchestergraben ein und erhöht die Brandsicherheit. Und im Gestaltungsprozess erkannt man plötzlich die Studiosituation: Lässt man den eisernen Vorhang hinunter, erhält man eine intime Studiobühne mit allen technischen Möglichkeiten der großen Bühne.
Details machen den Unterschied. Wer sie erkennt, macht das Forum zu einem ganz großen Haus. Einem Ort, wie Leverkusen ihn auch 50 Jahre nach Eröffnung braucht. Die Stadt ist im Wandel, positioniert sich in einer globalisierten und digitalisierten Welt. Da ist Offenheit Konzept. Wie gut, dass Leverkusen dafür die passende Bühne hat: Das Forum – als hätte Ulrich S. von Altenstadt es geahnt.
Die Inspirationen zu dieser Geschichte stammen von Ulrich S. von Altenstadt. Der Architekt wurde 1928 in Insterburg, Ostpreußen geboren. Für ihn als Architekt prägend war sein Lehrer Egon Eiermann, bei dem er in Karlsruhe als junger Mann arbeitete. „Bei Eiermann habe ich gelernt, was Architektur bedeutet. Bereits unter den Kollegen gab es interessante Anregungen. Eiermann setzte auf Fluktuation. Das Team bildete sich immer wieder neu. Und er ließ uns in den Entwicklungsphasen viel Freiheit, war nicht dogmatisch dafür präzise im Detail. Er betrachtete jeden Auftrag ganzheitlich und kümmerte sich um alles – bis zu den Fußleisten. Das habe ich übernommen. So ergänzte ich die Schiefervertäfelung am Eingang zum Großen Saal mit kleinen, polierten Edelstahleinlagen. Sie setzen Akzente auf dem grauen Stein und sagen: Hier geht‘s lang. Auf diese Kleinigkeiten kommt es an.“ Ein anderer großer Architekt, der Finne Alvar Aalto, war ebenfalls sein Vorbild. Aalto war sogar einer der eingeladenen, starken Konkurrenten im Architekten-Wettbewerb „Kulturzentrum“, gegen den sich der Entwurf von Altenstadts durchsetzte.
Einem bestimmten Baustil will von Altenstadt das Forum nicht zuordnen. „Das Forum entspricht der Moderne, die ohne Zierrat und ohne falsche Säulen auskommt. Auch dem Bauhaus kann man es nicht zurechnen oder dem so genannten Brutalismus. Ich wollte die Aufgabe so lösen, dass sich viele Spielräume anbieten. Ich denke, das ist gelungen. Auch weil ich ein ausgezeichnetes Team an meiner Seite hatte.“
Berührend und wohl bezeichnend für von Altenstadts Streben nach Architektur, die eine freie Entwicklung der Gesellschaft befördert, ist diese Erinnerung: Kurz nach Kriegsende war er in einem Lazarett in Schleswig-Holstein untergebracht. Er konnte bereits spazieren gehen und hörte aif seinem Weg aus einem Haus Musik, die er nicht kannte. Er trat näher, sah durchs Fenster einen Mann am Klavier sitzen. Eine Frau winkte ihn herein. „Sie dürfen sich still hierher setzten und zuhören.“ Da spielte der berühmte Pianist Eduard Erdmann den „Mikrokosmos“ von Bartok – eine Sammlung von Klavierstücken mit pädagogischem Impuls. „Bartók, Hindemith, Jazz – das alles war im 3. Reich verboten. Ich entdeckte eine neue Welt. In unserem Essener Architekturbüro wurde schon früh Jazz von Platten gespielt. Wir konnten auch Jazzgrößen wie Duke Ellington nach ihren Konzerten in der Grugahalle zu uns einladen. Dieses interdisziplinäre Denken und Arbeiten erzeugt Echo und echte Innovation. Dafür steht auch das Forum.“
FORUM-GESCHICHTE(N) #10
Gut eingespielt: Das Forum und seine Techniker

„Man muss auch kreativ sein, um den Vorschriften Genüge zu tun“, erklärt Oliver Fröhlen, technischer Leiter, mit ernsthaftem Gesichtsausdruck. Seine Kollegen Klaus Klose und Nils Kremser nicken zustimmend. Was Besuchern des Forums so locker und leicht erscheint, wird minutiös und präzise vorbereitet. Mit seinem Technik-Team macht er Theater erst möglich. Erfüllende Klänge, faszinierende Illusionen, erhellende Erlebnisse: Vom Konzert über das Schauspiel bis zum Kongress kümmert sich die hauseigene Technik ums Gelingen – unsichtbare Aspekte wie gute Luft und angenehme Temperatur gehören dazu.
Wer einmal die Gelegenheit hat, sollte eine Bühnenführung mitmachen. Die führt auch in den Technik-Keller. Hier sieht man, dass jeder Saal eine eigene Klimaanlage hat, die separat gesteuert wird. Sollte es brennen, stehen über Sprinkler und Sprühflutanlage mindestens 40.000 Liter Wasser zur Verfügung, die über Druckleitungen verteilt die Besucher und das Haus vor den Flammen schützen bis die Feuerwehr eintrifft. Für 10 Minuten reicht das Nass. „Aber das ist noch nie passiert“, freut sich Teamkollege Klaus Klose. Von ihm souverän begleitet traut man sich auch ein Stockwerk tiefer, wo das Fundament für den versenkbaren Orchestergraben liegt. In dieser Szenerie nackten Betons mag noch nicht mal eine Spinne auftreten! Es ist so gruselig, dass hier schon Krimis gedreht wurden. Man tritt gerne den Rückzug an und stellt fest: Die Türen haben eine rote und eine grüne Seite. „Im Notfall immer in Richtung ‚Grün‘ den Weg nehmen. Das ist der Fluchtweg.“
Hier wurde wirklich alles mit Verstand gemacht und in Handbüchern festgeschrieben. Kolleginnen und Kollegen anderer Bühnen, zu denen es oft langjährige Beziehungen gibt, finden sich so zurecht. „Nur ein Dirigent nahm einmal die falsche Tür auf dem Weg von der Garderobe zum Orchestergraben. Er war für rund 30 Minuten im Technikkeller verschollen, bis wir ihn ausfindig machten.“ Die Männer von der Technik wissen: Künstler sind vor ihrem Auftritt in einem gedanklichen Tunnel. Darum nehmen sie auch ungewöhnliche, persönliche Vorlieben der Kreativen gelassen. Die Erfahrung zeige: Je berühmter ein Gast, desto bescheidener und lösungsorientierter sei die Person.
„Wir sind ruhiger geworden. Es bringt nichts, wenn du dich aufregst“, stellen Fröhlen, Klose und Kremser unisono fest. Aufwändige Kulissen elektrisieren die scheinbar tiefenentspannten Männer dann doch. Als ein echtes Pferd auf einem Laufband vor einer Projektion im Vollgalopp auf der Bühne unterwegs war, stieg der Puls und noch heute sieht man ein Leuchten in den Augen dieser Macher. Auch die Gastspiele aus Ostberlin, noch vor der Wende, bleiben in bester Erinnerung. „Die Kollegen brachten aufwändige Kulissen in 13 Überseecontainern mit. Bei der anschließenden deutsch-deutschen Feier im Agam-Saal war immer ein ‚Schlapphut‘ dabei. Der hätte gerne zuhause bleiben können.“
Die Inspirationen zu dieser Geschichte stammen von Oliver Fröhlen, Klaus Klose und Nils Kremser – drei Forum-Mitarbeiter, die eigentlich nicht so gerne im Rampenlicht stehen. Das trifft sich gut: Als Techniker setzen sie andere perfekt in Szene. Dass sie im Dienst schwarz gekleidet sind, ist ihrer zurückhaltenden Art sicher dienlich. Dabei sollten sie ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, versammelt sich hier doch geballtes technisches Know-how. Elektroinstallateur Oliver Fröhlen hat sich zum Bühnenmeister und im Alter von 41 Jahren zum Beleuchtungsmeister weitergebildet. Betriebsschlosser Klaus Klose legte mit 50 Jahren ebenfalls erfolgreich die Prüfung zum Bühnenmeister ab. Nils Kremser ist Industriemechaniker, Fachrichtung Betriebstechnik.
Alle drei sind „Forum-Eigengewächse“. Sie haben im Gastspielhaus ihre Ausbildung absolviert und sich weitergebildet. „Das Forum ist unser Zuhause. Wir pflegen es und halten es in Schuss. Die Besucher bewundern sicherlich aufwändige Kulissenwechsel oder Lichtinszenierungen. Das freut uns. Aber wir möchten auch darauf hinweisen, dass wir als fest angestelltes Technik-Team die Substanz dieses denkmalgeschützten Bauwerks erhalten“, erklären die Drei einen Umstand, der in Zeiten flexibler Arbeitsmärkte bemerkenswert ist.
FORUM-GESCHICHTE(N) #11
Interview mit Nikolas Kerkenrath

Dem Forum wurde anlässlich des 50. Geburtstages viel Ehre erwiesen. Das zeigte auch die Gala am 14. September 2019. Aus Nah und Fern reisten dem Haus verbundene Menschen an – kreative Macher, die vor, hinter und rund um die Bühne aktiv sind oder waren. Zu ihnen gehört Nikolas Kerkenrath. In der Talkrunde wurde klar: Der ehemalige Leiter der Bayer Kulturabteilung lebt heute zwar in Paris, ist jedoch auf dem Laufenden, was in Leverkusen passiert. So spannte sich im Talk auf der Bühne ein Bogen von Damals in das Heute. Wir freuen uns, diesen Austausch mit dem folgenden Interview, die räumliche Distanz überbrückend, fortzusetzen.
Herr Kerkenrath, Sie waren von 1986 bis 2008 Leiter der Kulturabteilung von Bayer, bis 1981 Theaterregisseur in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz, 1983 Mitgründer und bis 1986 Künstlerischer Leiter des Theaterfestivals Nyon (heute: far°). Der Leverkusener Anzeiger interviewte Sie nach Ihrer Nominierung im März 1986 telefonisch und befragte Sie auch zu Ihrem Eindruck zum Forum. Ihre Antwort irritierte damals allgemein: „Von außen ein grauer Kasten, aber innen ein gut nutzbarer Saal …“; ebenso Ihre Antwort zum zukünftigen Vorgehen: „Ich möchte, dass sich die Programme der beiden Veranstalter mehr von einander unterscheiden.“ Wie war das damals, warum diese Äußerungen?
Meine damalige Äußerung, die ich unangemessen finde, entsprach dem Schock, vom Genfer See an den Rhein zu wechseln – dorthin, wo er nicht besonders schön ist. Bayerkusen war nicht mit Luzern, Bern oder Nyon, Lausanne vergleichbar, das musste ich erst verarbeiten. Künstler oder Kulturmacher arbeiten überall. Strukturen und Möglichkeiten sind ausschlaggebend, nicht ein Stadtbild oder eine Landschaft. So erlebte ich es damals. Anfang Februar 1986 wurden mir das Erholungshaus und das Forum gezeigt. Der optische und atmosphärische Spagat, die Unterschiede beider Häuser führten bald zu konzeptionellen Überlegungen. Der damals „heimelige“ Saal des Erholungshauses mit seiner mangelhaften Sicht auf die Bühne (erst 1997 konnten wir das verbessern) und die sachliche, funktionale Form im Forum mit bester Sicht auf allen Plätzen – das war schon ein spannender Kontrast. Der anfangs „graue Kasten“ (nochmal Pardon) mutierte mit der Zeit, die Nutzungsmöglichkeiten dominierten. Das Forum wurde mir vertrauter, schon bald begann ich es zu mögen.
Welches Gefühl haben Sie heute, nach 22 Jahren Kulturarbeit für Bayer und in Leverkusen, und nach über zehn Jahren Pariser Abstand seit Ihrer Pensionierung, wenn Sie das Forum betreten?
Zuerst einmal: Ich fühlte mich wohl. Ich wurde zur Geburtstagsfeier 50 Jahre Forum eingeladen und zu einer Talkrunde. Das ehrt mich. Ich traf mit herzlicher Sympathie ehemalige Kulturbürger/innen aus der Stadt wieder und konnte feststellen, dass wir Vieles gemeinsam bewirkt haben, aber auch, dass uns heute Einiges fremd geworden ist. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, immer noch Leverkusener Bürger zu sein. Die Nabelschnur hält also noch …
Und welches Gefühl haben Sie als professioneller Kulturschaffender, wenn Sie an Ihre Zeit und Nutzung des Forums zurückdenken?
Die anfänglich geschilderte Hemmschwelle war schnell überwunden. Hilfreich waren hier Ereignisse, die weit zurücklagen. Von 1966 bis 1969 verbrachte ich die Theaterferien in Griechenland und erlebte Aufführungen der Stücke von Sophokles, Euripides und Aristophanes in den antiken Theatern in Epidauros und Athen. Die perfekte Einheit dort von Raum, Sicht und Dimension hat mich geprägt. Das war auf einmal gegenwärtig, als ich im Forum in den hinteren Reihen saß und den leeren Raum aufnahm: Das war ja ein „griechischer“ Raum, staunte ich und begann, für diesen Raum zu planen. Ich habe das in unserer Talkrunde zum Ausdruck gebracht und anschließend mit dem Architekten Ulrich von Altenstadt darüber gesprochen. Er hat sich sehr gefreut, dass diese Komponente seiner Architektur erkannt worden ist. Es gab einige substantielle Aspekte, auf die das Publikum zustimmend reagiert hat. Von diesem Positiven der Veranstaltung hat die nur nörgelnde Presse aber nichts berichtet: Das war eine einseitige, negative Berichterstattung. Warum muss dort so oft das Negative dominieren?
Während der Talkrunden im Terrassensaal ärgerten Sie sich über einen Teilnehmer, der das Forum und das Erholungshaus Ende der 1960er-Jahre als Orte der sogenannten „Hochkultur“, als damalige „Vorstufe zur Hölle“ und als „Hölle selbst“ bezeichnet hatte. Sie sagten, dass Sie den Begriff „Hochkultur“ ablehnen, warum?
Ja, ich habe mich über diese Art, noch heute und bei diesem Anlass Kulturarbeit so abwertend zu beschreiben, geärgert. Das war doch wirklich Schnee von vorgestern und nicht einmal kabarettistisch originell. In der Geschichte der beiden Kulturhäuser Leverkusens war und ist dieser Begriff nicht angebracht. Bayer hat mit dem Erholungshaus immer die ganze Gesellschaft eingeladen und die Stadt mit dem Forum gleichfalls; das war und ist immer für jeden zahlbar. Der Begriff „Hochkultur“ ist ja zuerst ein materieller, ein ausgrenzender Begriff und von daher angreifbar: Früher konnten sich nur „die Betuchten“ die „hohe“ Kultur leisten. Das gilt schon lange nicht mehr. Sieht man einmal vom Schaulaufen bei der Eröffnung der Mailänder Scala ab oder beim Neujahrskonzert in Wien, bei einigen „Musts“ in Salzburg, Paris … Dann ist Beethoven oder Shakespeare heute für alle und überall zahlbar – und dies auf hohem Niveau. Wir können getrost einige (zu) teure Stars oder Anlässe denen überlassen, die dafür zahlen und sich damit schmücken wollen. Die heutige Nutzung des Begriffs „Hochkultur“ lehne ich auch deshalb ab, weil der ja den Begriff „Niedrigkultur“ impliziert; das ist Kulturrassismus! Es gibt nur eine Kultur, und die reicht in Leverkusen vom Kommunalen Kino, der Musikschule, dem Jazzfest bis zum Sinfoniekonzert, der Theateraufführung, dem Tanz, der Kunstausstellung, der Kleinkunstszene … kurz zu aller Kunst und Kreativität, die an beiden Spielstätten für jeden ermöglicht wird.
Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, wenn Sie heute aus der Ferne an das Forum denken?
Zuerst einmal: Ich bin noch heute dankbar dafür, dass es das Forum gab. Ohne es wäre vieles nicht realisierbar gewesen. Schon vor meiner Zeit wurde bei großen Sinfoniekonzerten, Ballett- und Theaterproduktionen der Forumsaal genutzt. Ohne seine idealen Bühnen- und Sichtverhältnisse hätte der Ruf „Ballettstadt Leverkusen“ nicht entstehen können; alle internationalen Compagnien tanzten hier. Diesen „griechischen“ Saal brauchte ich für die von Anfang an geplanten konzertanten Opernaufführungen mit den Bayer Philharmonikern und den beiden damals groß besetzten Chören; ich brauchte Platz und Atmosphäre für die fast 400 Mitwirkenden, ohne dass es optisch und akustisch eng wurde. An dieser Stelle würde ich gern zeigen, wie das aussah und wie das klang! Der fabelhafte Rainer Koch dirigierte sich mit seinem Können ins Herz der Leverkusener Musikfreunde: Zauberflöte, Freischütz, Fidelio, Carmina Burana, Peer Gynt, Herzog Blaubarts Schloss, Don Carlos wurden zu Forum-Rennern. Ab 1994 verlegten wir alle Sinfoniekonzerte ins Forum und organisierten in den Pausen einen CD-Markt im Terrassensaal. Ein neues Profil entstand – auch für die Stadt. Beste Werbung für Leverkusen waren die vom WDR aufgezeichneten Sinfoniekonzerte unseres zweiten ARD-Orchesterzyklus in der Saison 1999/2000, welcher „Wien, Wien, nur du allein!“ zum Thema hatte: Die Konzerte der deutschen Radio-Orchester und das der ORF wurden in die meisten europäischen Länder und bis nach Kanada, Australien, Japan ausgestrahlt. Das waren mehrere hundert Sendestunden; und jedesmal hieß es in der An- und Abmoderation, in der jeweiligen Sprache: „Aus dem Forum Leverkusen“. Die Kulturabteilung Bayer wurde als Veranstalter dabei nie genannt; das hat uns gar nicht gefallen, war aber so. Ich bin nicht sicher, ob die damalige Stadtspitze erkannt hat, welche Beiträge wir mit solchen Projekten, die ja auch kooperativ waren, für das Leverkusener Kulturprofil geleistet haben.
Als Leiter der Bayer Kulturabteilung kreierten Sie den Slogan „Wirtschaftsräume sind auch Kulturräume“. Ein Gedanke, der heute und in Zukunft trägt?
Generell ja, denn jeder wie, warum und von wem definierte Wirtschaftsraum ist zuerst ein Kulturraum. Kultur ist immer schon vorher da. Tragisch ist, dass das „Wirtschaften“ oft mit dem Zerstören von Kulturen begann. Über vier Jahrhunderte war unser Europa der große kulturelle Zerstörer in der Welt und hat wirtschaftlich gnadenlos und skrupellos ausgebeutet. Das wird seit den 1960er Jahren – ich nenne das mal – „korrigiert“. Heute sind es noch einige Großmächte und diverse Trusts, die sich einen Dreck um die Kultur anderer und deren Umwelt scheren. Ich hatte das große Glück, in einem internationalen Unternehmen mit langer Kulturtradition zu arbeiten und dessen Strategie der wirtschaftlichen Regionalisierung mit kulturellen Projekten zu begleiten. Das Konzept kam von uns aus der Kulturabteilung und wurde gern vom Vorstand und von den Regionen-Vertretungen aufgenommen. Besonders reizvoll war es, als wir vor zwanzig Jahren den von der Politik geprägten Begriff „Reformländer“ für die geschwächten Länder Mitteleuropas infrage stellten und im Spielplan 2001/02 positiv umkehrten: „Reformländer? – Kulturländer!“. Mit dieser Interpretation konnte auch der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher gewonnen werden, zur Eröffnung dieser besonderen Spielzeit zu sprechen; eine wunderbare Rede, in der er den Slogan „Wirtschaftsräume sind auch Kulturräume“ in seine Vision von Europa integrierte. Als dann im Verlauf der Saison die Künstler aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei im Erholungshaus und im Forum auftraten, ergänzt durch deutsche Solisten und Ensembles, da wurde allen die Bedeutung des Begriffs „Kulturländer“ auf eine wohltuende Art bewusst. Am glücklichsten war der Unternehmens-Vertreter dieses Wirtschaftsraums: Die Akteure aus Politik und Wirtschaft der vier „Reformländer“ diskutierten mit ihm vor Ort zuallererst – über Kultur und unsere Spielzeit.
Sie lebten in mehreren Ländern, für Sie ist die deutsch-französische Beziehung und Europa ganz wichtig. Europa muss große interne und externe Probleme lösen. Welche Rolle spielt da noch die Kultur, kann sie überhaupt etwas bewirken – generell – und in einer Stadt wie Leverkusen?
Kultur in Europa ist viel stärker als wir annehmen; und Europa ist viel, viel stärker als wir ihm und uns zugestehen. Dies trotz manchmal schwer zu verstehender Beschlüsse „in Brüssel“ und anderorts, trotz der häufig schlechten Kommentare, denen selten das überwiegend Positive gegenüber gestellt wird. Und Positives gibt es, verdammt noch mal, viel mehr, als den extremen Dauerstänkern willkommen ist; und das wissen die auch. Kultur ist in uns Europäern tief verankert, in den Genen und im Alltag. In vielen Ländern Europas achten Regierungen und Institutionen darauf, dass dieses Fundament stabil bleibt und unserer Gesellschaft einen Halt gibt. Leverkusen ist durch seine industrielle Geschichte, besonders nach dem Krieg, auf eine ganz natürliche Art zu einer mittelgroßen europäischen Stadt geworden, mit einer hier erlebbaren Toleranz anderen gegenüber. Das ist mir aufgefallen, der Kontakt mit dem damaligen Oberbürgermeister Horst Henning hat dies noch vertieft. Gemeinsam sind wir 1989 schon, passend zu unserer Saison Française und zur sprachlichen Ausrichtung einiger Leverkusener Gymnasien, auf die Suche nach einer französischen Partnerstadt gegangen, hatten sie auch gefunden – wurden aber von der politischen Opposition ausgehebelt. Horst Henning hat die Eigenständigkeit unserer Kulturarbeit immer als Teil des gesamten Kulturprofils von Leverkusen angesehen und war deshalb begeistert von der Idee, unsere Europäische Spielzeit (Schirmherr war EU-Präsident Jacques Delors) im Herbst 1992 im städtischen Forum festlich zu eröffnen. Ein besseres Forum zu Europa hätten wir nicht finden können! Es war wohl die intensivste Veranstaltung meiner Zeit in Leverkusen: über neunhundert geladene Gäste, darunter viele Botschafter und Gesandte europäischer Länder. Empfang aller im Terrassensaal; dann im großen, dem „griechischen“ Saal der Festakt mit starken Reden des OB, des Vorstandsvorsitzenden, des Vertreters der Landesregierung, des Repräsentanten von Jacques Delors, Konzert der Bayer Philharmoniker, der Vortrag von Walter Jens zum Wunschthema „Deutschsein in Europa“… Beim Nachlesen dieser Reden stelle ich fest, wie europäisch-visionär alle damals gedacht und gesprochen haben! Doch das Wichtigste an diesem 20. September 1992 war die mit Spannung erwartete Verkündigung des französischen Botschafters nach der Pause, dass sein Land für die Verträge von Maastricht gestimmt hatte. Der erleichterte Jubel war groß. Das war gelebtes Europa im Forum Leverkusen, ein ganz großer Moment.
Ich meine, dass wir mit diesen – ich nenne das mal – Erinnerungen für morgen unser Gespräch abschließen können; Ihren guten Fragen bin ich gern gefolgt. Dem Jubilar Forum wünsche ich, dass in Leverkusen immer und zuerst kultureller Anspruch und Mut dominieren mögen und Visionen entstehen, allen finanziellen Anfeindungen zum Trotz. Der Name und der Begriff „Forum“ verpflichtet.
Als PS sei doch noch dies vermerkt: Der Leverkusener Anzeiger titelte am 1. Oktober 2019 einen Kommentar zum jahrzehntelangen herausragenden Wirken der Westdeutschen Sinfonia in Leverkusen und im In- und Ausland mit „Kulturelles Aushängeschild“. Das war treffend, das tat gut! Ebenso war zu lesen, dass die Leverkusener Buchhandlung Gottschalk vom Kulturstaatsministerium mit dem Preis „Hervorragende Buchhandlung“ ausgezeichnet wurde. Auch hier aus der Ferne: Bravo und Applaus! Solche Nachrichten passen bestens zum Forum-Jubiläum.
FORUM-GESCHICHTE(N) #12
Theater und Technik – Erinnerungen von Heribert Giller

Heribert Giller war von 1969 bis 1991 der technische Leiter des Forums – ein echter Praktiker, der seinen persönlichen Zugang zur Kreativität gefunden hat. Er entwickelte Lösungen für individuelle Probleme rund um die Inszenierung, zum Beispiel die Drehbühne. Sie war nicht Teil des Forum-Konzepts. Dann wurde sie gebraucht und Giller hat sie gebaut. „Die Scheibe mit 11 Metern Durchmesser benötigte einen starken und zugleich flach konstruierten Antrieb. Ich fand ihn schließlich bei einer Tochter des Unternehmens Wuppermann in der Fixheide. Hier baute man Antriebe für Archivregale und die passten perfekt“ erinnert sich Heribert Giller.
Ebenfalls besonders war seine Konstruktion der fahrbaren Bühne für ein Gastspiel aus Berlin, „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann. Dort verfügte man über eine Kassettenbühne. Im Forum fertigte man 80 fahrbare Podeste mit Laufrollen an. So konnte die erste Kulisse zurück und die zweite von der seitlichen Bühne und ebenfalls in einer Rückwärtsbewegung auf die Hauptbühne geschoben werden. „Die Pause dauerte rund zwei Stunden. Glaube ich zumindest. Wir waren mit unserem Technikteam und 40 studentischen Hilfskräften damit beschäftigt, die Podeste in Stellung zu bringen. Der Aufwand hat sich gelohnt: Der Applaus war riesig. Für eine schauspielerische Leistung, die wir ermöglichten“, berichtet stolz ein Mann, der nicht zur Prahlerei neigt.
Ehrgeiz, Zuverlässigkeit und Mut gepaart mit Erfindergeist zeichneten das Wirken von Heribert Giller aus. Kongresse und Tagungen sowie Fernsehübertragungen gehörten neben dem Theater zum Konzept. Gerne erinnert er sich an die Aufzeichnung des Schlagerfilms „Tante Trude aus Buxdehude“ im Jahr 1971. „Der großartige Theo Lingen war hinter der Kamera so galant wie davor.“
Elegant löste Heribert Giller die Geruchsbelästigung nach dem Brand des Lichtstellwerks im großen Saal – nur ein Problem von vielen, die sich ergaben. „Am 29. Oktober 1971 passierte das Unglück. Durch die Hitze der Flammen zerbarsten die Scheiben von Tonkabine, Filmprojektion und Dolmetscherkabine. 60 Sitze im Zuschauerbereich wurden beschädigt. Die konnten wir recht unproblematisch erneuern. Ich hatte Teppich und Stoffe der Erstausstattung beiseite gelegt. Und meine Vernetzung mit dem Leverkusener Handwerk half bei der zügigen Instandsetzung. Das Kölner Opernhaus lieh uns ein mobiles Ersatzstellwerk aus. Aber wie sollten wir gegen den Brandgeruch loswerden?“ Von irgendwo kam der rettende Tipp: Chanel N° 5! Giller investierte 500 DM und gab das Parfum in die Luftwäsche. Hier wurde der Brandgeruch durch die natürlichen, ätherischen Öle gebunden und die Luft im Forum war wieder rein.
In der Not die Nerven behalten: Das konnte Heribert Giller. Nastassja Kinski zog sich während der Probe zu „Othello“ unter der Regie von Peter Zadek einen Splitter in den Fuß, denn: Die Schauspielerin war vom Kopf bis zu den Füßen komplett nackt. Giller verfrachtete die spärlich bekleidete Darstellerin in sein Auto und bot ihr eine Decke an. „Sie sind ein Spießer“, gab Kinski zurück und ließ sich widerstrebend zum Notarzt fahren. Der war Kinderarzt und verwies ans Hospital. Im St. Josef Krankenhaus wurde die Wunde sachgemäß behandelt und Nastassja Kinski war darüber so froh, dass sie die gesamte Belegschaft der Station zur Vorstellung einlud.
Die Erinnerungen zeigen: Heribert Giller bewirkte mehr als den reibungslosen Ablauf der Technik. Sein Sinn für das Zwischenmenschliche half oft, Theater auf der Forumbühne möglich zu machen.
Die Inspirationen zu dieser Geschichte stammen von Heribert Giller. Schon während der Bauphase von 1967 bis 1969 erwarb er technisches Hintergrundwissen beim Einbau der Anlagen und Geräte. Von 1969 bis 1991 hatte er die technische Leitung des Forums inne. In dieser Zeit bildete er auch Oliver Fröhlen sowie Klaus Klose aus, die heute im Bereich Technik arbeiten. „Ich bin froh, dass ich meine Erfahrung weitergeben konnte“, sagt Giller mit Stolz.
Geht nicht, gibt‘s nicht – so möchte man Gillers Wirken betiteln. Seine berufliche Laufbahn erklärt das technische Know-how des gebürtigen Sauerländers. Als gelernter Elektriker kam er nach Leverkusen und startete bei Bayer. Dann ging es zu den Stadtwerken. Giller hielt die Straßenbeleuchtung in Schuss. Nächste Station ab 1960: die Stadtbildstelle. Hier überwachte Giller die Funktion der technischen Geräte. Licht und Bild – damit kannte er sich also bereits aus, als der Ruf ins Kulturamt kam. Als Vorbereitung für die Aufgabe als technischer Leiter der Kultureinrichtung bildete er sich zum Industriemeister fort. Im Jahr 1971 legte er die Prüfung als Beleuchtungsmeister ab und im Jahr 1973 die als Bühnenmeister. So konnte er die technische Leitung voll umfänglich übernehmen.
Zwar lag sein Fokus auf der Technik, doch bald merkte er: Ich arbeite hier mit und für die Kunst. Er begann, die Schauspieler zu beobachten. Wie sie sich vor dem Auftritt veränderten. Darauf stellte er sich und das Team ein und das kam bei den Kreativen gut an. „Sie merkten, dass wir im Forum der Kunst den Rücken stärken. Showgrößen wie Ilse Werner begrüßte jeden und jede mit Händedruck und Küsschen. Fünf Minuten später stand sie auf der Bühne und pfiff ihre Lieder. Alle waren Teil einer gelungenen Vorstellung – vor, auf und hinter der Bühne.“ Dabei schließt er seine zweite Frau liebevoll mit ein. Gertrud Giller arbeitete viele Jahre an der Information und teilt mit Ihrem Mann gerne die Erinnerungen an die ersten Jahrzehnte des Forums. Ein Paar, das mit Freude im Forum wirkte. An dieser Stelle: Danke dafür!